Gründer FAQ: Diese Änderungen solltest du unbedingt beachten
Welche neuen Verbraucherschutzgesetze gelten für das Kaufrecht und digitale Waren?
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Die letzte umfangreiche Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) war die große Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002. Das ist nun fast 20 Jahre her. Doch mit dem 01. Januar 2022 tritt eine Gesetzesnovelle in Kraft, die vor allem die Verbraucherschutzgesetze deutlich ändern wird. Neben Änderungen, die sich auf das gesamte Kaufrecht erstrecken, wird es vor allem Neuerungen zum rechtlichen Umgang mit digitalen Waren und Dienstleistungen geben. Verkäufer und Hersteller werden all diese neuen Regelungen beachten müssen.
Umsetzung von EU-Richtlinien
Die Reform, die der Bundestag am 24. Juni 2021 beschlossen hat, dient der Umsetzung zweier Richtlinien der Europäischen Union (EU). Die EU hat erkannt, dass digitale Leistungen in der Wirtschaft und im nationalen und internationalen Handel immer bedeutender werden. Deshalb erließ sie 2019 sowohl die Warenverkaufsrichtlinie 2019/771 (WKRL) als auch die Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen 2019/770 (DIDRL).
Die Richtlinien sollen zu einer Harmonisierung des Vertragsrechts hinsichtlich digitaler Leistungen beitragen. Einige Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, hatten ihre Gesetze bislang kaum oder gar nicht dem digitalen Zeitalter angepasst. Andere Staaten hatten zwar bereits getan, teilweise allerdings sehr unterschiedlich. Eine solche Rechtszersplitterung kann aber der Funktionsfähigkeit eines europaweiten Binnenmarktes und einem einheitlichen Verbraucherschutzniveau entgegenstehen. Deshalb war es an der Zeit, einheitliche Vorgaben für alle Mitgliedstaaten zu erlassen.
Im Gegensatz zu EU-Verordnungen gelten Richtlinien der Verbraucherschutzgesetze nicht unmittelbar in den Nationalstaaten. Sie müssen zuerst in nationales Recht „übersetzt“ werden, wobei die Staaten mal mehr, mal weniger Spielraum haben.
Die wesentlichen Änderungen
Der Bundestag hat die Vorgaben nun im BGB umgesetzt. Das sind die wichtigsten Neuerungen, auf die sich Online-Händler ab dem 1. Januar 2022 einstellen müssen:
1. Neuer Sachmangelbegriff
Eine der auffälligsten und besonders einschneidenden Neuerungen ist die Neufassung des § 434 BGB und die damit einhergehende Änderung des Mangelbegriffs. Sie gilt für jeden Kaufvertrag. Liefert ein Hersteller oder Verkäufer eine mangelhafte Sache, löst dies verschiedene Gewährleistungsrechte für den Käufer aus. Dabei wird es auch bleiben. Doch bislang wurde die Mangelhaftigkeit einer Sache vorrangig subjektiv bestimmt, d.h. es kam stärker auf individuelle Vereinbarungen an als auf die objektiven Umstände.
Für Kaufverträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen werden, wird sich dies aber ändern. Nach dem neuen § 434 Abs. 1 BGB n.F. ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht. Somit stehen objektive Kriterien zukünftig gleichrangig neben den subjektiven Anforderungen. Die neuen Absätze 2 bis 4 definieren zusätzlich, wann eine Sache den subjektiven und objektiven Anforderungen oder den Montageanforderungen entspricht. Dabei wird auf bislang gängige Kriterien wie die vereinbarte oder gewöhnliche Verwendung und die vereinbarte oder übliche Beschaffenheit zurückgegriffen.
Änderungen für die praktische Umsetzung der Verbraucherschutzgesetze
Die wesentlichste Änderung in der Praxis wird wohl die sein, dass eine Sache auch dann mangelhaft sein kann, wenn sie den subjektiven Anforderungen, aber objektiv nicht der üblichen Qualität von Sachen derselben Art entspricht. Eine Sache kann also laut Verbraucherschutzgesetze einen Mangel aufweisen, obwohl der Verkäufer vertragsgemäß liefert.
Zusätzlich wird auch der § 439 Abs. 3 BGB geändert. Betroffen von der Neuregelung sind Aus- und Einbaukosten bei einer Mängelbeseitigung. Bislang musste der nachbessernde Verkäufer für die Kosten nicht aufkommen, wenn der Käufer die mangelhafte Sache eingebaut und dabei grob fahrlässig übersehen hatte, dass sie eigentlich mangelhaft war. Nach der Neufassung des § 439 BGB schadet dem Käufer jedoch nur noch positive Kenntnis der Mangelhaftigkeit.
2. Änderungen im Gewährleistungsrecht
Händler müssen zukünftig auch folgende Änderungen im Gewährleistungsrecht beachten:
- Wenn der Verkäufer wegen eines Mangels nachbessern muss, fängt die Nachbesserungsfrist schon mit Mitteilung über den Mangel an den Verkäufer an zu laufen. Bislang waren regelmäßig ein ausdrückliches Nacherfüllungsverlangen und damit eine Fristsetzung notwendig.
- Gewährleistungsansprüche verjähren zukünftig nicht vor Ablauf von zwei Monaten ab Entdeckung des Mangels. Das bedeutet, dass sich Verkäufer auf eine Gewährsleistungszeit von 26 statt 24 Monaten einstellen müssen, wenn der Käufer den Mangel am letzten Tag vor Ablauf der Frist entdeckt hat.
- Garantieerklärungen müssen künftig ohne ausdrückliches Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Dabei muss deutlich werden, dass die Garantie das gesetzliche Gewährleistungsrecht unberührt lässt.
Im neuen Kaufrecht findet sich außerdem eine Neuerung, die ausschließlich den „B2B“-Bereicht zwischen Händlern, Lieferanten und Herstellern betrifft: Hat der Verkäufer einen Regressanspruch, verjährt dieser frühestens zwei Monate nach der Nacherfüllung gegenüber dem Käufer. So kann der Regressanspruch nicht vor dem Gewährleistungsanspruch des Käufers verjähren. Außerdem entfällt die aktuell geltende Höchstgrenze von fünf Jahren nach Ablieferung der Sache des Lieferanten an den Verkäufer gemäß § 445b Abs. 2 BGB. Das liegt an der neu eingeführten Aktualisierungspflicht, die eine Haftung des Verkäufers laut Verbraucherschutzgesetze auch nach mehr als fünf Jahren ermöglicht.
3. Verbrauchsgüterkauf: Verlängerung der Beweislastumkehr
Eine weitere Änderung betrifft abermals nicht nur Kaufverträge über Waren mit digitalen Elementen, sondern alle Verbraucherkaufverträge. Die Beweislastumkehr des § 477 BGB wird künftig verlängert. Schon jetzt gilt für Kaufverträge mit Verbrauchern folgendes: Tritt ein Mangel innerhalb von sechs Monaten auf, wird vermutet, dass dieser bereits bei Gefahrübergang vorlag oder angelegt war und dem Käufer somit die üblichen Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer zustehen. Ab dem 01.01.2022 gilt diese Beweislastumkehr sogar für 12 Monate ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs.
4. Verbrauchsgüterkauf: Aktualisierungspflicht für Waren mit digitalen Elementen
Ebenfalls im Recht des Verbrauchsgüterkaufs werden mit den §§ 475a bis 475e BGB n.F. neue Vorschriften für Kaufverträge über Waren mit digitalen Elementen eingeführt. Um eine Ware mit digitalen Elementen handelt es sich, wenn sie in einer solchen Weise mit einem digitalen Produkt verbunden ist, dass die Ware ohne das Digitale nicht funktionsfähig wäre. Das sind beispielsweise Smartphones und Computer, aber auch allerlei Smart Home Geräte sowie teil- oder vollautomatisierte Fahrzeuge. Durch die neuen Gesetze wird für solche Produkte nun eine Update-Pflicht eingeführt. Der Verkäufer muss demnach Aktualisierungen der Produkte bereitstellen, die für den vertragsgemäßen Erhalt der Sache erforderlich sind.
Wie lange diese Pflicht besteht, hängt in der Regel von den Umständen ab. Eine Bezifferung nahm der Gesetzgeber nicht vor, weshalb diese Frage zukünftig wohl die Gerichte klären müssen. Der Zeitraum soll grundsätzlich so lange dauern, wie Verbraucher Aktualisierungen aufgrund der Art und des Zwecks der Sache erwarten können. Für die Bestimmung könnten etwa Aussagen in der Werbung, die zur Herstellung der Kaufsache verwendeten Materialien und der Preis maßgeblich sein. Sicherheitsupdates müssen aber in der Regel länger angeboten werden, als der Verkäufer für Vertragsverletzungen haftet (2 Jahre ab Übergabe), so die Gesetzesbegründung.
Die Sonderregelung der Verbraucherschutzgesetze
Eine Sonderregel gibt es, wenn die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente über einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum hinweg vereinbart wurde. Beispiele sind die Verkehrsdaten in einem Navigationssystem, die Cloud-Anbindung bei einer Spielekonsole oder eine Smartphone-App zur Nutzung verschiedener Funktionen in Verbindung mit einer Smartwatch. Wurde hier kein konkreter Zeitraum vereinbart, muss der Verkäufer mindestens für 2 Jahre ab Übergabe der Sache die Update-Pflicht beachten. Das Bundesjustizministerium geht in einer Kostenkalkulation allerdings davon aus, dass Updates laut Verbraucherschutzgesetze im Durchschnitt für fünf Jahre bereitgestellt werden müssen.
Hauptziel der Regelung ist es, dass die IT-Sicherheit eines Geräts möglichst lange gewährleistet ist. Bei Geräten, die nicht mehr mit Updates versorgt sind, bestehen größere Risiken für die IT-Sicherheit. Da neu aufkommende Sicherheitslücken nicht mehr durch Updates technisch geschlossen sind. Somit können diese Geräte zur Zielscheibe von Cyberkriminellen werden. Ein weiteres Ziel ist die längere Funktionstüchtigkeit von gekauften Geräten. Verbraucher mussten sie in der Vergangenheit immer schneller aussortieren, da sie unbrauchbar werden, wenn die Hersteller keine notwendigen Updates mehr bereitstellen und gängige Apps nicht mehr installiert werden können. Die Regelung kann daher auch einen nachhaltigeren Umgang mit digitalen Geräten unterstützen.
5. Verbraucherverträge: Spezielle Vorschriften für Verträge mit digitalen Inhalten
Schließlich werden in den §§ 327 ff. BGB ergänzende Vorschriften für alle Verbraucherverträge eingeführt, die hauptsächlich digitalen Inhalte und Dienstleistungen betreffen – also etwa Streamingdienste oder der Kauf von eBooks bzw. Software. In den Anwendungsbereich der neuen Vorschriften fallen alle Verträge über solche digitalen Produkte – unabhängig davon, ob sie sich online oder auf einem Datenträger bereitstellen lassen. Für diese Verträge über digitale Produkte sieht die Gesetzesnovelle eigene Regelungen zum Gewährleistungsrecht vor, die z.B. das Kauf- oder Mietrecht ergänzen. In den §§ 327e ff. BGB werden zukünftig der Produktmangel, die Beweislastumkehr und auch die Verjährung für diese Verträge gesondert geregelt.
Fazit und Ausblick
Die neuen Regelungen, die ab Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten, werden nicht nur für Verbraucher einiges ändern, sondern auch neue Pflichten für Unternehmen schaffen. So ist es Herstellern, Händlern und Verkäufern zu raten, ihre Verträge, Angebote und AGB rechtzeitig an die neuen Anforderungen anzupassen. Insbesondere an den neuen Sachmangelbegriff und die neuen Verjährungs- und Beweisumkehrvorschriften. In diesem Zuge gilt es auch, die Verträge zu Lieferanten zu überarbeiten. Damit die Regressansprüche und Informations- und Lieferpflichten laut der Verbraucherschutzgesetze nicht leerlaufen.
Wer die neuen Gewährleistungsrechte und insbesondere auch die neue Update-Pflicht für digitale Produkte nicht beachtet, dem drohen Abmahnungen und Klagen von Verbraucherschutzverbänden.
Nähere Informationen und Tipps rund um das Thema erhältst du auf wbs-law.de.
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Über den Autor
Christian Solmecke
Rechtsanwalt Christian Solmecke hat in seiner Kölner Kanzlei WBS.LEGAL den Bereich Internetrecht/E-Commerce stetig ausgebaut. Er betreut dort zahlreiche Online-Händler, Medienschaffende und Web-2.0-Plattformen. Daneben ist RA Solmecke Gründer von anwalt2go sowie mehreren IT-Startups. Seine ersten Projekte hat er selbst programmiert. Neben seiner Kanzleitätigkeit und der Geschäftsführung der cloudbasierten Kanzleisoftware Legalvisio.de ist Christian Solmecke Autor zahlreicher Fachbücher zum Thema Online-Recht und Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet (DIKRI) an der Cologne Business School (http://www.dikri.de). Dort beschäftigt er sich insbesondere mit den Rechtsfragen in Sozialen Netzen. Vor seiner Tätigkeit als Anwalt arbeitete Solmecke mehrere Jahre als Journalist für den Westdeutschen Rundfunk und andere Medien.