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Der Experte im Interview

„Die Cloud demokratisiert den Zugang zu KI und ML“

Die deutsche Start-up-Szene hat die Talsohle noch nicht durchschritten und kämpft weiter mit einem herausforderndem Marktumfeld. Warum jedoch vor allem Unternehmen mit Hilfe der Cloud und dem Einsatz von ML und KI diesen Widerständen erfolgreich trotzen, erläutert Marius Müller-Minde, Start-up-Segment Leader für die Region EMEA North/Central (Wirtschaftsraum Europa) bei AWS, im Interview mit gründer.de.

Marius, wie geht es der Start-up-Szene in Deutschland derzeit?

Der Krieg in der Ukraine, die wirtschaftliche Unsicherheit und die steigenden Zinsen machen jungen Unternehmen natürlich zu schaffen, da Investoren in Deutschland in diesen Zeiten nur äußerst zurückhaltend investieren. Das Kapital fließt daher vor allem in Start-ups mit bereits profitablem Geschäftsmodell im Software- und Analytics-Bereich. Dennoch werden laut dem Startup-Verband weiterhin viele Firmen im Technologiesektor gegründet. Nach der Finanzkrise 2008 gab es ja eine Flut an innovativen Start-ups wie Zalando, Delivery Hero oder Airbnb, die etablierte Branchen umkrempelten. Zurzeit sehen wir eine ähnliche Dynamik: Junge Firmen versuchen, Probleme mit technologischen Innovationen zu lösen – vor allem in den Bereichen Gesundheit, Nachhaltigkeit, Cybersecurity und Enterprise Software.

Welche Rolle spielt die Cloud dabei?

Wir haben schon immer gesagt, dass in Zukunft fast alle IT-Workloads in der Cloud ausgeführt werden. Wir erleben dank generativer KI derzeit einen Technologiesprung, durch den diese Vorhersage noch schneller Realität werden dürfte. Die Cloud schafft gleiche Bedingungen für alle. Mit AWS können Gründer, unabhängig von ihrem Hintergrund, neue Ideen umsetzen – und zwar wesentlich schneller als in einer On-Premises-Umgebung. Denn sie brauchen sich nicht mehr mit der Verwaltung ihrer IT-Infrastruktur zu befassen und haben mehr Zeit und Ressourcen, um neue Produkte und Services für ihre Kunden zu entwickeln. Mit der Infrastruktur und den Services von AWS können Start-ups praktisch alles umsetzen, was sie sich vorstellen können. Da Amazon bereits seit mehr als 25 Jahren KI/ML entwickelt und nutzt, können wir einen riesigen Erfahrungsschatz an Start-ups weitergeben und ein breites Portfolio an KI/ML-Diensten in der Cloud anbieten.

Welche weiteren Vorteile bietet die Clod für Start-ups?

Zunächst sind das die Vorteile, von denen alle Unternehmen profitieren: Es fallen keine Investitionen in Server, Software etc. an. Die Nutzung ist nach Bedarf skalierbar. Bei AWS zahlen Kunden nur für das, was sie wirklich verbrauchen. Und die damit verbundenen Kostenvorteile sind gerade für junge Unternehmen ganz wichtig. Es erlaubt Experimentieren ohne großes Risiko. Zudem versetzt die Cloud Unternehmen in die Lage, schneller auf neue Marktbedingungen oder Strategien zu reagieren. Ein weiterer Vorteil: Durch den Zugang zu den leistungsstärksten, flexibelsten und sichersten Technologien können Start-ups auch mit Unternehmen aus stark regulierten Branchen konkurrieren. So wurde der erste zivile Überschalljet nach der Concorde von dem Start-up Boom Supersonic entwickelt.

Wie ist es um deutsche Start-ups mit Fokus auf Daten und KI/ML bestellt?

Deutschland belegt laut Dealroom, einem globalen Anbieter für Daten und Statistiken, mittlerweile den zweiten Platz im Ranking der Länder, in denen Start-ups mit Fokus auf generative KI in den letzten fünf Jahren Finanzmittel gesammelt haben. Nur in den USA gibt es mehr Neugründungen in diesem Bereich. Die Zahl der in Deutschland ansässigen Start-ups, die ihr Geld mit Daten und KI verdienen, ist im laufenden Jahr auf 508 gestiegen – das sind 67 Prozent mehr als im Vorjahr. Und von den 304 KI-Start-ups aus dem Jahr 2022 sind 262 geblieben und 246 neue hinzugekommen. Damit ist die „Überlebensrate“ wesentlich höher als bei jungen Unternehmen, die in anderen Bereichen tätig sind. Die Jobvermittlung HeyJobs beispielsweise nutzt den ML-Dienst Amazon SageMaker, um Kandidaten und Arbeitgeber schneller zusammenzubringen. Auf diese Weise konnte das Unternehmen seine Kosten um 30 Prozent reduzieren.

Und inwiefern profitieren Start-ups von generativer KI im Zusammenspiel mit der Cloud?

Während KI/ML schon seit Jahren eine enorme Rolle für viele Start-ups spielt, hat generative KI die Möglichkeiten nochmal exponentiell erweitert – die Produktentwicklung wird auf ein neues Niveau gehoben. Die Cloud spielt für Start-ups eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Einführung von generativer KI, denn diese wird, wie alle anderen KI-Formen auch, von ML-Modellen angetrieben, die auf riesigen Mengen von Rechenressourcen und Daten vortrainiert werden. Was auch immer Unternehmen mit generativer KI vorhaben – sie brauchen eine leistungsfähige und kostengünstige Infrastruktur. Mit der Cloud demokratisieren wir den Zugang zu generativer KI und ermöglichen es Start-ups, eigene Foundation-Modelle (FMs) zu erstellen. Zum Beispiel bauen Stability AI und AI21 mit AWS ihre rechenintensiven KI-Modelle, welche für die Erstellung von Bild-, Sprach-, Audio-, Video- und 3D-Inhalten genutzt werden. Start-ups können aber auch vortrainierte FMs als Basis für die Entwicklung eigener Anwendungen nutzen oder direkt generative KI-Services verwenden, ohne dass diese über spezielle Kenntnisse verfügen müssen. Unser Ansatz für generative KI besteht also darin, die Technologie aus dem Forschungsumfeld herauszuholen und sie für Kunden jeder Größe und für Entwickler jedes Fähigkeitslevels verfügbar zu machen. In diesem Jahr haben wir Amazon Bedrock vorgestellt, damit kann jedes Start-up zum KI-Unternehmen werden und eigene KI/ML-Anwendungen in der Cloud umzusetzen. 

Auf welche Weise fördert AWS die Start-up Unternehmen?

Im Rahmen unseres Programms AWS Activate haben wir seit 2013 Milliarden von Dollar in AWS Guthaben für junge Unternehmen weltweit bereitgestellt. Aber wir helfen auch dabei, den Product-Market-Fit zu erreichen. Unser Start-up Loft Accelerator unterstützt Early-Stage Start-ups mit Beratung und Mentoring bei der Wahl ihres Geschäftsmodells. Es umfasst bereits 272 Projekte und mehr als 100 Risikokapitalpartner. Wir helfen neu gegründeten Firmen bei der Umsetzung ihrer Ideen und verschaffen ihnen Zugang zu Partnern und Investoren. Wir unterstützen sie dabei, ihre Produkte schneller an den Markt anzupassen, neue Vertriebskanäle zu entwickeln und Kunden zu akquirieren – und so schnell zu skalieren. Unsere Stärke ist unser einmaliges Start-up-Team für EMEA, das aus ehemaligen Gründern, erfahrenen und kompetenten VC-Spezialisten, sowie Produkt- und Branchenexperten besteht, die genau wissen, was Start-ups brauchen. Darüber hinaus fördern wir vielversprechende Start-ups, die sich auf generativer KI spezialisiert haben, im Rahmen des AWS Generative AI Accelerator-Programms. Außerdem engagieren wir uns dafür, dass mehr Frauen Gründerinnen werden. Gemeinsam mit PwC haben wir das Programm „Underrepresented Founders | Female Edition“ ins Leben gerufen, um die Vielfalt in der Gründerszene zu fördern. Viele der erfolgreichen Start-ups sind dann auch im AWS Marketplace vertreten, unserem digitalen Katalog, der hunderttausenden AWS Kunden leichteren Zugriff auf ausgewählte Drittanbietersoftware ermöglicht. So profitieren die jungen Unternehmen später durch zusätzliche Verkaufschancen für ihre innovativen Produkte.

Warum engagiert sich AWS so in der Start-up-Förderung?

Start-up-Unternehmen sind wichtig für unsere Wirtschaft. Sie stellen konventionelle Denkweisen infrage und lösen Probleme, für die es noch keine Lösungen gibt, mit neuen Ansätzen. Zudem schaffen sie Arbeitsplätze und treiben oft nachhaltige Entwicklungen voran. Die Start-up-Förderung liegt daher in der DNA von AWS. Die innovativsten und erfolgreichsten jungen deutschen Firmen bauen auf AWS – darunter Delivery Hero, N26, Solaris Bank, Tier Mobility oder Zalando. Insgesamt laufen mehr als die Hälfte aller Unicorns in Deutschland auf AWS. Wir wollen Gründer auf ihrem Weg zum Erfolg unterstützen – egal ob mit unseren verschiedenen Programmen oder im persönlichen Gespräch.

Haben KI-Start-ups eine besondere Bedeutung für AWS?

Ja, denn generative KI bietet die Möglichkeit, jedes Kundenerlebnis und jede Anwendung neu zu erfinden. Die Technologie wirkt wie ein Innovationsturbo. Schon bald wird eine neue Generation von Firmen an die Spitze dieser Entwicklung aufsteigen. Amazon investiert seit mehr als zwei Jahrzehnten in die Entwicklung und den Einsatz von KI und ML. Unser Ziel ist es, dass generative KI für jeden nutzbar wird, und die jungen Generative-KI-Unternehmen sollen von unserer Expertise profitieren. Neben unserem KI-Service Amazon Bedrock, haben wir zuletzt beispielsweise Amazon CodeWhisperer entwickelt, einen neuen KI-Programmierdienst, der automatisch Codevorschläge generiert und so die Geschwindigkeit in der Entwicklung deutlich erhöht.

Mit Blick in die Zukunft: Welche Start-ups werden sie besonders prägen?

Wie schon eingangs erwähnt: Der Fokus liegt auf Innovationen, die unsere Welt besser machen. So setzt das Münchner Unternehmen Marvel Fusion bei der Entwicklung seines neuartigen Fusionsreaktors auf AWS. Der Reaktor erfordert sehr anspruchsvolle wissenschaftliche Modelle für Design, Herstellung und Messungen. Wenn man Kernfusion kommerziell betreiben würde, könnten solche Reaktoren die Welt mit preisgünstiger Energie im Überfluss versorgen. Ein anderes Beispiel ist Smarttex: Das portugiesische Unternehmen hilft Textilherstellern, die riesigen Abfallmengen, die in der Branche anfallen, mithilfe von KI zu reduzieren. Auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird zu vielen sinnvollen Entwicklungen führen. So nutzt das Start-up Vevo, Teilnehmer am AWS Generative AI Accelerator, generative KI für die Entwicklung von Medikamenten, mit denen sich die Behandlung von Krankheiten deutlich verbessern lässt.

Fallen dir noch vielversprechende deutsche KI-Beispiele ein?

Ich denke da an GeoPard Agriculture, eine Plattform, die landwirtschaftliche Daten in der AWS-Cloud analysiert, um auf diese Weise die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Oder die Firma Twaice, die den Einsatz von Autobatterien mithilfe von prädikativen Analysen optimiert. Durch den Aufbau einer Cloud-nativen Plattform auf AWS wurde die Datenanalyse um 300 Prozent schneller und genauer, und die Kosten für die Anschaffung und Wartung der Batterien ging um 20 Prozent zurück. Von diesen hungrigen, jungen deutschen Unternehmen gibt es eine ganze Menge in jeder Branche, und wir sind stolz, vielen von ihnen dabei zu helfen, ihre Ideen in die Realität umzusetzen.

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